S1.8 Störfallvorsorge

Wer Anlagen betreibt oder betreiben will, die bei ausserordentlichen Ereignissen den Menschen oder seine natürliche Umwelt schwer schädigen können, hat zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt die notwendigen Massnahmen zu treffen.

Zu diesen Anlagen gehören Betriebe, in denen bestimmte Mengen an gefährlichen Stoffen, Zubereitungen oder Sonderabfälle vorhanden sind oder die Tätigkeiten mit gentechnisch veränderten oder pathogenen Mikroorganismen der Klasse 3 und 4 durchführen.

In Basel-Stadt ist die Störfallvorsorge wegen der hohen Bevölkerungsdichte, der Nutzungsmischung und dem Verlauf der Transportachsen eine besondere Herausforderung. Da das Baugebiet mehrheitlich überbaut ist, die noch unbebauten Bauzonen als Wohn- oder Mischgebiet deklariert und die grenznahen Gebiete im Nachbarkanton sowie in den Nachbarländern intensiv genutzt sind, gibt es wenig Alternativstandorte für Betriebe oder Transportachsen mit einem Störfallrisiko. Eine Mehrzahl der in Umsetzung oder in Planung befindlichen Grossprojekte (mit oder ohne eigenes Störfallrisiko) liegt in nächster Nähe einer risikorelevanten Anlage oder Transportachse.

Im Kanton Basel-Stadt sind alle Betriebe im Geltungsbereich der Störfallverordnung im Verzeichnis der Gefahrenquellen erfasst. Dieses ist als Spezialkarte «Risikokataster» auch via Internet einsehbar.

Ebenfalls von der Störfallverordnung erfasst sind die Verkehrswege, auf denen in relevanten Mengen gefährliche Güter auf der Schiene, der Strasse sowie dem Rhein transportiert oder umgeschlagen werden. Im Kanton Basel-Stadt sind das beim Schienenverkehr die Eisenbahn-Transitgüterstrecken auf den Abschnitten Grenze Deutschland/Schweiz (Weil am Rhein) – Badischer Bahnhof – St.Jakob und Grenze Frankreich/Schweiz (Saint-Louis/St.Johann) – Bahnhof SBB/Basel SBB Güterbahnhof (Wolf) – St.Jakob sowie die Bahnstrecke Badischer Bahnhof – Grenze CH/D nach Grenzach. Auf dem Rhein ist die gesamte Flussstrecke auf dem Kantonsgebiet betroffen, da bis in die Schweizer Rheinhäfen im Kanton Basel-Landschaft relevante Mengen an gefährlichen Gütern transportiert werden. Im Strassenverkehr weisen in erster Linie die Nationalstrassen A2 / A3 («Ost- und Nordtangente») relevante Mengen gefährlicher Güter auf. Die wichtigsten Umschlagsstellen für gefährliche Güter befinden sich im Basel SBB Güterbahnhof (Wolf), beim Rangierbahnhof der DB sowie im Hafen Kleinhüningen. Raumwirksame Störfallrisiken bestehen überdies im Zusammenhang mit Rohrleitungen. Im Kanton Basel-Stadt betrifft dies die Erdgashochdruckleitung Riehen-Kleinhüningen.

Störfallrisiken sind wie Naturgefahren wichtige Faktoren, die die räumliche Planung im dicht besiedelten Raum beeinflussen und deshalb bei allen raumwirksamen Tätigkeiten zu berücksichtigen sind.

Es gehört zu den grundlegenden Aufgaben der Raumplanung, mit ihren Instrumenten zum Vollzug der Umweltschutznormen und der Störfallvorsorge beizutragen. Dies gilt insbesondere dort, wo das Störfallvorsorgerecht nicht selber greift, nämlich wenn

  • eine neue Nutzungsplanung zusätzliche Nutzungen in der Nähe einer der Störfallverordnung unterstehenden Anlage zulässt oder
  • eine bereits bestehende Nutzungsplanung solche zusätzlichen Nutzungen nicht verhindert,

so dass in beiden Fällen das Risiko für Bevölkerung oder Umwelt über das tragbare Mass ansteigen könnte.

Während bei bestehenden Nutzungsplänen Einschränkungen schon aus enteignungsrechtlichen Gründen schwieriger zu realisieren sind, soll die raumplanerische Interessenabwägung im Sinne der Störfallvorsorge bei der Änderung oder der Erstellung von neuen Nutzungsplänen regelmässig und gezielt vorgenommen werden.
Die nachfolgenden Vorgaben dienen deshalb dem Ziel, der raumplanerischen Interessenabwägung im Sinne der Störfallverordnung eine konkrete und systematische Grundlage zu geben und die diesbezüglichen Tätigkeiten der kantonalen Nutzungsplanung und der Fachstelle für Störfallvorsorge miteinander abzustimmen.

Planungsziele

  1. Mit einer geeigneten Kombination von Massnahmen an der Risikoquelle und planerischen Massnahmen (Nutzungs- und Verkehrsplanung) stellt der Kanton Basel-Stadt sicher, dass die Störfallrisiken für Bevölkerung und Umwelt jederzeit als tragbar beurteilt werden können.
  2. Der Kanton Basel-Stadt engagiert sich für eine grenzüberschreitende Abstimmung bei der Störfallvorsorge und berücksichtigt die grenzüberschreitenden Aspekte der Störfallvorsorge auch in der Siedlungsentwicklung.
  3. Den Betrieben mit Gefahrenpotenzial, die bestimmten Kriterien wie «sicher», «zukunftsgerichtet», «umweltgerecht» und «arbeitnehmerfreundlich» entsprechen, gewährt der Kanton mit sinnvollen raumplanerischen Massnahmen günstige Betriebs- und Entwicklungsmöglichkeiten.


Strategie / ST
8 und 11

Leitsätze
11, 17, 20, 32, 42, 61 und 66

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Planungsgrundsätze / Planungsanweisungen

  1. Konflikte zwischen bestehenden Störfallrisiken und neuen Nutzungsplanungen sollen systematisch und frühzeitig erkannt und nach einem zwischen den Fachstellen für Raumplanung und Störfallvorsorge zu vereinbarenden Verfahren analysiert und entschieden werden. Methodische Grundlage dafür bildet der durch die Arbeitsgruppe «Planungshilfe Raumplanung und Störfallvorsorge» unter der Leitung des Bundesamts für Raumentwicklung ausgearbeitete Vorschlag zur Abwicklung der raumplanerischen Störfallvorsorge.
  2. Der Gefahrenkataster muss bei Planungsentscheiden berücksichtigt werden. Kanton und Gemeinden prüfen bei der Nutzungsplanung die Einwirkungen von Störfällen. Die Ausscheidung neuer Wohnnutzungen bzw. von Nutzungen für empfindliche Personen oder von Nutzungen mit hoher Personendichte in der Nähe von raumwirksamen Risikoanlagen ist zu vermeiden oder darf erst nach erfolgter raumplanerischer Risikobeurteilung und gegebenenfalls dem Erlass von Schutzmassnahmen bewilligt werden.

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Massnahmen / Details

Aufgabenverteilung

Das Planungsamt ist für die raumplanerische Störfallvorsorge verantwortlich. Es berücksichtigt bei seinen Planungsentscheiden den Gefahrenkataster und konsultiert in relevanten Fällen die Fachstelle für die Störfallvorsorge. Bei schwierigen Entscheiden über die Tragbarkeit des Risikos konsultiert sie – analog zum kantonalen Verfahren bei der Beurteilung von bestehenden Störfallrisiken – die vom Regierungsrat gewählte Kommission für Risikobeurteilung (RISKO).

Die Kontrollstelle für Chemie- und Biosicherheit (KCB) ist die kantonale Fachstelle für Störfallvorsorge. Sie überwacht die Eigenverantwortlichkeit der Betriebe, die mit gefährlichen Stoffen umgehen und ordnet – im Falle der Verkehrswege von nationaler Bedeutung in Abstimmung mit den federführenden Bundesämtern – die angemessenen Vorsorgemassnahmen an, die zur Vermeidung oder Verminderung von Risiken für die Bevölkerung und die Umwelt nötig sind. Sie führt den kantonalen Gefahrenkataster und berät das Planungsamt bei der raumplanerischen Störfallvorsorge.

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